Bilder von der Zeit danach


Sechs Bilder aus ihrer jüngsten Werkphase hat Mona Fischer für den vorliegenden Katalog thematisch zusammengefasst zu einem Zyklus von faszinierender Suggestivkraft. Jedes einzelne Bild eröffnet dem Betrachter Einblicke in ein Szenario, das bei aller phantastischen Wirklichkeitsferne unmittelbare landschaftliche Assoziationen freisetzt. Die Gliederung dieser Bilder ist wesentlich geprägt durch die Schichtung der Bildebenen, die zuweilen durch einen vage angedeuteten Horizont als Landschaftsräume kenntlich werden, So entsteht eine Tiefendimension, die den Blick sogartig an- und in das Bildgeschehen hineinzieht. Das scharfe Helidunkel und die lodernde Farbigkeit tun das ihrige, um dieser Tiefe eine fast greifbare Wirklichkeit zu verleihen. Erinnerungen an Beispiele der frühen Landschaftsmalerei des 16. Jahrhunderts werden wach, wo sich, um Ferne anzu­deuten, im Mittelgrund schroffe blaugraue Felsgebilde formieren und die Grenze zwischen Himmel und Erde in der dunstigen Weite aufgehoben erscheint.

Darüber hinaus wohnt diesen Landschaften eine ästhetische Dimension inne, die das 18. Jahrhundert mit dem Begriff des „Erhabenen“ belegte: „Alles, was auf irgendeine Weise geeignet ist, die Ideen von Schmerz und Gefahr zu erregen, ist eine Quelle des Erhabenen“, charakterisierte 1757 der Kunsttheoretiker Edmund Burke diesen Begriff; „es ist dasjenige, was die stärkste Bewegung hervorbringt, die zu fühlen das Gemüt fähig ist.“ Überwältigende Naturerscheinungen jagen dem Menschen Schrecken ein und lassen ihn angstvoll erschaudern, weil sie ihm seine eigene Nichtigkeit unwidersprochen vor Augen führen; die Elemente - das ist die Botschaft dieser Lehre und ihrer Bilder - existieren ewig, auch jenseits der kleinen vergänglichen Menschenzeit.

Der Stoff, aus dem in Mona Fischers Malerei Landschaften regelrecht geronnen sind, scheint nicht aus dieser Zeit zu stammen. Zerklüftete Höhlen, verhangen von zerlaufenden Schleiern, werden scharf kontrastiert von Lichtbahnen, deren Energie aus archaischer Tiefe aufsteigen. Am Horizont, jenseits des desolaten Terrains, deuten giftige Farbfetzen ungeahnte Katastrophen an. In dieser Malerei offenbart sich Landschaft als Schauplatz apokalyptischer Visionen; wie Variationen des immer gleichen, beklemmenden Alptraums nehmen abgrundtiefe Ahnungen Gestalt an. Gold- und Kupferspuren wirken wie von einer außerirdischen Gewalt auf das Bild­feld geschleudert. Immer schon schrieb man Metallen, ob ihrer vielfältigen Eigen­schaften und Erscheinungsformen, mit Vorliebe mythologische und religiöse Kräfte zu; man setzte sie in Beziehung zu Planeten, Temperamenten und Epochen und entwarf aus ihnen ganze alchimistische Kosmologien. Das kostbarste, alle anderen überstrahlende Metall ist das Gold, das in sich eine oszillierende Fülle symboli­scher und allegorischer Bedeutungen vereinigt; Gold reizt die Sinne, man möchte es haben, berühren; allein durch seine materielle Beschaffenheit verkörpert es Vor­stellungen von Wert und Dauer; der Glanz seiner Haut macht es zur Reflektions­fläche des Lichtes, welches sich im Gold auf reinste Weise materialisiert; in fast allen religiösen Zusammenhängen steht Gold schließlich für das Paradies, sein Leuchten macht die Totalität der Welt sinnlich und anschaubar. Dabei wohnt dem Gold eine große Widersprüchlichkeit inne: Denn auch Neid und Habgier, und daraus resultierend Gewalt und Ausbeutung von Mensch und Natur geschehen in seinem Zeichen.

Über die bekannte Symbolik hinaus entfaltet das Gold in Mona Fischers Arbeiten eine selbständige, bildimmanente Wirkung. Von mattem Schimmern steigert sich seine Ausdruckskraft stellenweise zu geradezu barocken Ausbrüchen. Sein Glanz erweckt diese Bilder zu einem seltsam kalten, unnatürlichen Leben. Kreatürliches Leben hingegen existiert hier nicht - höchstens als schemenhafte Erinnerung an eine Zeit, die lange vor diesen Bildern vergangen sein muss, Zwar tauchen vexier­bildartig immer wieder Gestalten aus der dämmrigen Umgebung auf - verkümmer­te Wesen, die sich weder als Mensch, noch als Tier eindeutig zu erkennen geben. Kaum aber hat das Auge eine solche mutantenhafte Figur fixiert, scheinen deren Konturen wieder mit dem toten Material des Umraums zu verschmelzen Erschreckend präsent erscheint die Vorstellung eines Universums ohne Natur, Wachstum und Veränderung. Denn bei aller visionären Entrücktheit beschwören diese Bildwelten sehr eindringlich die Dystopie von einer entmenschten Erde, die sich urzeitlich langsam mit neuen Lebensformen zu füllen beginnt.

„Worauf sich die letzte Feststellung bezieht, bleibt ungewiß, vielleicht ist sie auch nur getroffen, um nicht der Sprachlosigkeit, der stummen Verzweiflung endgültig anheimzufallen. (aus: Peter Rosei: Entwurf für eine Welt ohne Menschen. 1972-74)

 

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