Peter Kogler

Peter Kogler
Wenn sich die bildende Kunst mit der Technik einläßt, dann ruft eine solche Allianz beim kunstverständigen Pu­blikum nicht immer unbedingte und einhellige Zustimmung hervor. Fortschrittlich gesonnene Zeitgenossen fühlen sich bestätigt in ihrer Über­zeugung, daß allein die Technik es vermag, die ermattete, in Gesten und Zitaten erstarrte Kunst wiederzubeleben; traditionsbewußte Kritiker hingegen erheben warnend ihre Stimme gegen die Gefahren der Rationalisierung nun auch auf dem sakrosankten Terrain individuellen Schöp­fertums. Dabei wird häufig vergessen, daß ge­rade die Technik es war, welche, in Gestalt der Fotografie, der Kunst den Weg in die Moderne überhaupt erst erschloß. Wie stark sich beide seit jeher befruchtet haben, braucht nicht be­tont zu werden; Konstruktivismus und Bauhaus belegen dies ebenso wie z. B. die Videokunst unserer Zeit. Der Technikgläubigkeit der Futuristen, die einen Rennwagen einem Werk der bildenden Kunst vorzogen, wird heute niemand mehr so schnell erliegen. Jean Tinguelys Schrottapparate ironisieren die Technik, indem sie sie zu betriebsamer Funktionslosigkeit verdammen. Seine .Malmaschinen stellen überdies die Malerei selbst in Frage, welche sich vom Künstler befreit hat und zum Zufallsprodukt einer ratternden Roboterkralle geworden ist -  Glanz und Elend der Maschine im Spiegel de Kunst.

Technik heute heißt Technologie, und ihre Ma­schinerie besteht aus PCs, Mikroprozessoren und anderen elektronischen Kunststückchen. Mit den rapiden Fortschritten im Bereich der Computerforschung steigt aber zugleich auch die Angst der Menschen, als gläserne Opfer der totalen Vernetzung der Maschine schließ­lich zu unterliegen. Kein Wunder, daß sich auch die bildende Kunst in jüngster Zeit ver­stärkt mit der technischen Faszination, aber auch mit der gesellschaftlichen Relevanz der Mikroelektronik auseinandersetzt. „Art Ware“ hieß - in sinniger Abwandlung der „Hardwa­re“ - eine Computerkunstausstellung, die sich unlängst auf der Hannoveraner Computer-­Fachmesse CeBIT präsentierte. Unter der Über­schrift „Technologie und Informatik“ befaßte sich auf der letzten Biennale in Venedig eine ganze Abteilung mit den künstlerischen Mög­lichkeiten der elektronischen Kommunikations­medien. Ton-Licht-Videoinstallationen, synthe­tische Bilder oder „Performing Sculptures“ kün­deten hier von der Digitalisierung des künstleri­schen Ausdrucks.

Auch der junge Österreicher Peter Kogler zeigte seine Arbeiten auf der Biennale - allerdings nicht in der erwähnten Tech­nologie-Abteilung, sondern auf dem Aperto der jungen Biennale-Teilnehmer. Dies, obwohl der Computer zu Koglers unverzichtbarem Handwerkszeug gehört, mit dem der Künstler digitale Bilder sehr eigener Art produziert. Von Hand gezeichnete Darstellungen menschlicher Köpfe gibt Kogler dem Computer per Lichtstift oder Tastatur ein. In digitalisierte lnformationen zerlegt, erscheint die Graphik in Form von winzigen Pünktchen und Strichen, den 50 „Pixels“, auf dem Monitor. Wenn die Graphik nach beliebig vielen Korrekturen, schließlich die gewünschte Gestalt hat, wird sie ausgedruckt. So weit, so gut. Daß Computer in der Lage sind, komplizierte Bilder in jeder denkbaren Farbe und Form, ja sogar räumlich, auf den Bildschirm oder auf Papier zu zaubern, weiß jeder, der ab und zu mal fernsieht. An dieser Stelle beginnt des Künstlers Werk, Teil zwei. Mit Hilfe eines Overhead-Projektors wird der Ausdruck nun vergrößert, auf eine farbig grundierte Leinwand projiziert und im Siebdruckverfahren fixiert. Die Sisyphusarbeit, die sich jetzt anschließt, mag manchem zunächst befremdlich erscheinen: Mit der Perfektion alter Meister malt Kogler im letzten Arbeitsgang jedes einzelne Bildelement mit schwarzer und roter Acrylfarbe nach, ohne im geringsten von der Computervorlage abzuweichen.

Das frappierendste an den so zustande gekommenen „Kopfbildern“ ist wohl ihre Plastizität die sich alleine aus dem Schwarz-Rot-Kontrast und der Dichte der gesetzten Punkte ergibt. Erst mit einigem Abstand ist der Betrachter in der Lage, das, was sich aus der Nähe als unentwirr­bares Gewimmel von Zeichen darstellt, über­haupt als „Bild“ zu erkennen. Eng bedruckte - pardon: bemalte - Partien erweisen sich als Augenhöhlen und Münder, während Wangen und Stirn den helleren Bildgrund durchschim­sm lassen. Dabei werden derlei Erkennungs­merkmale des menschlichen Kopfes jedoch keineswegs naturgetreu und ihrer realen Erschei­nungsform entsprechend „abgebildet“, sondern dienen selbst lediglich als Zeichen, die dem Betrachter Assoziationen mit Gesichtern signalisieren. Verzerrungen und Deformationen sind durchaus beabsichtigt und bedingen die sehr ambivalente Wirkung dieser Gebilde, die zugleich furchterregend und grotesk, bedroh­lich und komisch erscheinen. Das witzige, der Welt der Comics und Cartoons entlehnte Element seiner Arbeiten unterstreicht Kogler häufig noch durch Unterzeilen, die, wie in der auf der Biennale präsentierten Kopfserie des „Antique dealers“, die entstellten Physiognomien durch Banalität ihrer Aussagen in die Nähe von Karikaturen rücken.

Schon bevor sich Peter Kogler mit Compu­tergrafik zu beschäftigen begann, gehör­ten Köpfe zu seinen bevorzugten Motiven. Besonders hervorgehoben seien seine Karton­plastiken, maskenhafte Objekte,  die das menschliche Gesicht auf geometrische Grundformen reduzieren und so in roboterhafter An­onymität erstarren lassen. Koglers Schritt von diesen stereotypen Kopf-Konstrukten hin zur maschinellen Erstellung von derlei Mischwesen erweist sich innerhalb seines Konzepts der Entfremdung und  Entmenschlichung  des Menschenbildes als durchaus konsequent.

Bleibt als einziger - allerdings gewichtiger - Widerstand in diesem technoiden Gruselkabi­nett die Kopf-Arbeit des Künstlers, die dem Computer als Bildidee eingespeist wird, und seine Handarbeit mit der er die ausgeworfene Matrix akribisch in ein Werk der traditionellen Malerei verwandelt. Unvermeidlich drängen sich bei der Beschäftigung mit Koglers Arbeiten Erinnerungen an die Rasterbilder auf, mit denen Roy Lichtenstein, aber auch Gerhard Richter oder Sigmar Polke schon vor zwanzig Jahren die Trivialität der Massenmedien persiflierten, indem sie sie auf scheinbar sinnlose Weise künstlerisch reproduzierten.

Ob sich in Peter Kogler ein Polke des Compu­terzeitalters verbirgt, wird vor allem davon ab­hängen, inwieweit er der Faszination der Tech­nik zugunsten seiner gedanklichen Konzeption zu widerstehen vermag. Eines ist ihm allerdings bereits gelungen: die beiden Pole, zwischen denen die Kunst der Gegenwart sich erstreckt - sprich: konventionelle Malerei auf der einen, Computerkunst auf der anderen Seite - intelli­gent und witzig miteinander zu verknüpfen.

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