Malen kann man alles

Ein Gespräch mit Gerhard Richter

Sabine Schütz: Vor gut einem Jahr erregen Sie großes Aufsehen mit Ihrem Bilderzyklus „18. Oktober 1977.“ Diese Gruppe von fünfzehn in Ihrer früheren Methode der Schwarz-Weiß-Photo-Verwischungen gemalten Bildern setzte sich mit dem Tod der RAF-Terroristen im Stammheimer Gefängnis auseinander und löste eine kontroverse und emotionale Diskussion aus, die über die rein künstlerische Debatte weit hinausging. Haben Sie mit diesen Bildern ein direktes politisches Anliegen verfolgt?

Gerhard Richter: Kein direktes politisches Anliegen, vor allem nicht in dem Sinne politischer Malerei, die man ja stets als linkspolitische verstand, als Kunst, die ausschließlich die sogenannten bürgerlich-kapitalistischen Verhältnisse kritisierte – das war nicht mein Anliegen.

Aber das Thema ist doch nicht nur sehr brisant gewesen, sondern es war doch ein ausdrücklich linkspolitisches...

... das jetzt gänzlich als beerdigt angesehen werden kann...

... genau, und es ist ja bereits Geschichte. Man könnte ja fragen, warum Sie 1989 mit diesen Bildern herausgekommen sind und nicht bereits vor zehn Jahren.

Wahrscheinlich war dieser zeitliche Abstand notwendig. Aber ich kann es nicht genau erklären, welche Gründe mich bewegten, etwas dann oder dann zu machen; so etwas läuft ja auch nicht geplant ab, sondern doch eher unbewußt. Wichtig erscheint mir, daß die Bilder jetzt, mit dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems, eine andere, allgemeinere Komponente erhalten, die sie vordem nicht so offensichtlich hatten. Andererseits scheue ich mich doch, über Anliegen oder Aussagen der Bilder zu reden, ich will sie nicht durch eine Interpretation einengen.

Aber sehen Sie jetzt die Terroristen nur als Opfer einer falschen Idee, die also zwangsläufig scheiterte?

Das auf jeden Fall. Trotzdem empfinde ich ja auch eine gewisse Sympathie für diese Leute und für ihren verzweifelten Willen zur Änderung. Ich kann ja sehr gut verstehen, wenn man diese Welt nicht akzeptabel findet. Außerdem waren sie auch Teil eines Korrektivs, das uns in Zukunft erst mal fehlen wird. Wir werden ein anderes finden, andere Ansätze zur Kritik, die nicht so sentimental oder abergläubisch sind, sondern realistischer und deshalb wirkungsvoller, hoffe ich.

Man hat diesen Zyklus als eine Wiederbelebung der von der modernen und zeitgenössischen Kunst weitgehend ignorierten Historienmalerei bezeichnet. Würden Sie dieser Einordnung zustimmen?

Sie interessiert mich nicht so sehr. Auch als ich während des Malens daran dachte, daß man die Bilder als Historienmalerei, also als etwas Reaktionäres, ansehen könnte, war mir das gleich. Es ist mehr ein Problem für Theoretiker.

In Ihren Tagebuchaufzeichnungen haben Sie einmal gesagt, da man so wie Sie eigentlich nicht malen könne: ohne Thema. Wie war das bei diesem Zyklus? Gab es ein Thema?

Ja, das gab es hier. Aber mit dieser ‚schwarzen Notiz’ waren eher die abstrakten Bilder gemeint und darüber hinaus die generelle Ohnmacht und Hilflosigkeit, die dann natürlich auch zum Thema werden kann. Aber andererseits hat man ja manchmal genügend Motivation, die all solche Fragen gegenstandslos macht – man malt dann eben.

Wenn Sie ein Bild anfangen, wissen Sie dann immer, was Sie malen wollen? Kann man sagen, daß Sie ein Konzeptkünstler sind?

Nein, das bin ich nicht, und ich weiß durchaus nicht immer, was ich malen soll bzw. wie das Bild schließlich aussehen soll. Auch bei dem Oktoberzyklus wußte ich nicht, was für Bilder dabei herauskommen werden. Ich hatte eine riesige Auswahl von Photos und hatte auch ganz anderer Vorstellungen: Alles sollte viel umfassender werden, viel mehr mit dem Leben der Dargestellten zu tun haben, und am Ende stand diese kleine Auswahl: neun Motive und sehr auf den Tod hin konzentriert, fast gegen meine Absicht also.

Gerade von einem Maler, der – uns sei dies bereits 25 Jahre her – auch schon einmal Toilettenpapier gemalt hat, hätte man die Auseinandersetzung mit einem so inhaltsträchtigen Thema nicht unbedingt erwartet. Auch der Plattenspieler ist ja an und für sich ein banaler Gegenstand. Allerdings scheint sich das Verhältnis zum Bildgegenstand in dieser Zeit erheblich verändert zu haben?

Nicht erheblich, denn eine Klorolle ist nicht unbedingt ein lustiges Bild. Es ist auch nicht so, daß ich nun alt genug bin, um nur noch traurige Dinge zu malen. Aber das Plattenspielerbild ist natürlich ein sehr aufgeladenes Bild, da der Betrachter weiß, daß es der Plattenspieler von Andreas Baader ist, daß darin die Todeswaffe versteckt war und so weiter. Damit wird es zwar kein besseres Bild, aber es erhält erstmal mehr Aufmerksamkeit, weil man mehr Erzählung daran festmachen kann.

Hinter der Tatsache, daß es früher z.B. um eine Toilettenpapierrolle oder einen Wäscheständer ging und heute um einen Plattenspieler mit einer ganz konkreten politischen Bedeutung, steht doch ganz offenbar eine entscheidende Veränderung des Bewußtseins.

Natürlicherweise. Damals war ich jünger und Teil eines ganz anderen Zeitgeistes, und so gesehen könnten die Bilder sogar viel unterschiedlicher sein. Dagegen aber fällt mir jetzt eher die Ähnlichkeit auf – also, daß sich nicht soviel geändert hat. Es ist die gleich scheinbare Indifferenz und Aussagelosigkeit. Klorolle, Wäschetrockner sind genau wie der Plattenspieler eine Art „Arme-Leute-Bilder“, wie viele andere der nichtssagenden, banalen Motive.

Dem Motiv kommt in den verschiedenen Bildern ein sehr unterschiedlicher Stelenwert zu. In „18. Oktober 1977“ zum Beispiel ist das Motiv von einer ganz anderen Inhaltlichkeit als in den meisten früheren Arbeiten. Könnte man sagen, daß alle Ihre Werkgruppen über ein jeweils eigenes, individuelles Verhältnis zum Bildgegenstand und zur Wirklichkeit verfügen?

Das wird sicher so sein, nur haben alle die verschiedenen Bilder in den verschiedenen Zeiten eine feststehende Grundlage: eben mich, meine Einstellung, mein Anliegen – das sich zwar unterschiedlich äußert, aber nie wesentlich ändert. Die Unterschiedlichkeit ist eben eher eine äußerliche, und die Sprüche über meine Stillosigkeit und Meinungslosigkeit waren zum Teil Polemik gegen Zeitströmungen, die ich ablehne. Oder sie waren Schutzbehauptungen, um mir das Klima zu verschaffen, in dem ich malen kann, was ich will.

Aber Sie haben doch auch vorgeführt, daß es egal sein kann, was man malt. Mit dem Wäschetrockner, dem Hirsch oder der Hausfrau haben Sie doch gezeigt, daß es egal ist.

Aber das kann man doch auch als thematisch zusammenhängend sehen, und dann ist es gar nicht so egal. Diese Themen: Wäschetrockner, Familie auf dem Sofa, Hirsch – die sind auch sehr selektiv.

Hat es denn nicht auch eine ironische Note gehabt?

Ich selbst denke das nie. Wenn ich zugelassen habe, daß behauptet wurde, es sei ironisch, dann, um meine Ruhe zu haben. Denn irgendwo habe ich natürlich schon an den Motiven gehangen. Ich fand den Wäschetrockner nicht ironisch; der hatte eher etwas Tragisches, denn er thematisierte das Leben in einer Sozialwohnung, ohne die Möglichkeit, die Wäsche rauszuhängen. Das war ja mein Wäschetrockner, den ich in einer Zeitung wiederentdeckte, quasi objektiviert. Oder die Familien, die kannte ich oft. Und wenn ich sie nicht kannte, hatten sie wenigstens Ähnlichkeit mit den Familien und Schicksalen, die ich kannte.

Hatte das denn nicht etwas mit Spießertum zu tun?

Sicherlich. Aber was heißt das schon? Ich kann mit dem Begriff nicht viel anfangen, er ist mir zu arrogant.

Was interessierte Sie denn zum Beispiel an dem Motiv des Hirschen? Immerhin kann man heute doch wohl kaum einen Hirsch malen, ohne die Assoziation ‚röhrend’ – also Kitsch – zu haben.

Der Hirsch kann ja nichts dafür, wenn er schlecht gemalt wird, so als röhrender Hirsch über dem Sofa. Er ist ein schönes Tier wie jedes andere. Natürlich hat der Hirsch – speziell für uns Deutsche mit unserer ausgeprägten Beziehung zum Wald – auch Symbolcharakter. Ich selbst wollte Förster werden in meiner Jugend, und ich war damals ganz begeistert, als ich einen richtigen Hirsch entdecken und photographieren konnte, im Wald. Später malte ich ihn, und das Bild war dann etwas weniger romantisch als mein Jugendphoto.

Auch das Schloß Neuschwanstein in seinem Zuckerbäckerstil erweckt doch zwangsläufig Assoziationen von Kitsch.

In Wirklichkeit ist dieses Schloß ja häßlich, schrecklich. Aber es hat eben auch diese andere, verführerische Seite, die des wunderschönen Märchens, des Traums von Erhabenheit, Seligkeit und Glück. Und das ist die eigentlich gefährliche Seite, deshalb ist es wirklich ein besonderes Beispiel von Kitsch.

In den Bomberbildern sehe ich eine kritische Stellungsnahme zu Thema Krieg...

... ist es aber sicher nicht. Solche Bilder können gar nichts gegen Krieg ausrichten. Sie zeigen ja auch nur einen sehr kleinen Aspekt vom Thema Krieg – vielleicht nur meine kindlichen Gefühle von Angst und Faszination durch Krieg und solche Waffen.

Kann man denn von der ästhetischen Wirkung einer Waffe fasziniert sein? Geht es nicht immer auch um Schrecken, um Angst?

Es ist ein gemischtes Gefühl, und es bringt nichts, wenn man die Faszination unterdrückt.

Vor vielen Jahren haben Sie das Malen einmal als eine ‚moralische Handlung’ bezeichnet. Was meinten Sie damit?

Das war damals schon ein ohnmächtiger Versuch auszudrücken, daß es nicht darum geht, schöne Bilder zu malen. Es war also die Behauptung eines Bedeutung der Kunst, ihrer enormen Wichtigkeit, die ich ihr zuerkannte; und daß Kunst heute in nie gekannten mengen gemacht und verbraucht wird, zeigt doch auch schon ein ganz irrationales Verlangen nach Kunst, eine nahezu religiöse Sehnsucht. Und wenn Kunst in der Lage wäre, diese Sehnsucht gänzlich zu befriedigen, wäre das ein großer Vorteil. Es wäre so was wie ‚Glaube pur’, der uns davor bewahrt, auf Irrglauben, Religionen und Ideologien zu fliegen.

Sie betonen immer wieder Ihre anti-ideologische Haltung. Was bedeutet denn für Sie Ideologie?

Ein aktuelles Beispiel ist die Ideologie des Sozialismus in der DDR . Gegen jede Vernunft glauben Leute an so etwas – machen sich und andere unglücklich. Das ist doch schon eine Art Geisteskrankheit, und wie es scheint, eine unheilbare. Viel wichtiger wäre doch, daß wir uns erkennen, sehen, wie wir sind, was wir können, warum wir morden, warum wir gut sind und vor allem, was machbar ist. Statt dessen ‚glauben’ wir. Das ist doch ein Luxus, den wir uns gar nicht mehr leisten können auf diesem gefährdeten Globus.

Wissen nicht diejenigen, die den Durchblick haben und die Heilsvorstellungen verkünden, in Wirklichkeit genau, daß sie lügen?

Sicher nicht, denn Ideologie beherrscht die Gehirne so gründlich, daß gar keine Möglichkeit besteht, die Tatsachen objektiv zu sehen; und je mehr sich die Tatsachen gegen die Ideologie richten, um so unerbittlicher übt sie ihre Herrschaft aus. Nur im Verhalten, also ganz unbewußt und instinktiv, kann man ihr manchmal entkommen. Also. Wenn Honnecker Kaschmir trägt, ist er eigentlich ganz natürlich, dann vergißt er seinen Glauben oder verdreht ihn ein bißchen.

Also möchten Sie den Glauben ganz abschaffen?

Geht leider nicht. Wir brauchen ihn ja zum Überleben. Er motiviert uns, ohne ihn liefe nichts. Glauben ist ja eine unverzichtbare Eigenschaft von uns. Wenn ich sage: Ich glaube, daß morgen Dienstag ist, ist das schon ein Glaubensakt, denn dieser Dienstag existiert ja nur in unserer Vorstellung. Und wenn ich dann noch behaupte, daß morgen schönes Wetter sein wird, zeigt sich schon etwas die gefährliche Seite des Glaubens, denn dann nimmt man das ja als Gewißheit und richtet sich danach aus. Und wenn es dann tatsächlich kalt ist und regnet, sieht es schon schlechter aus.
Die Intellektuellen sind da viel gefährdeter als die ‚Normalen’ oder die Künstler; sie sind klug, können sehr gut mit dem Wort umgehen, also hervorragend Theorien konstruieren, und sie können teilhaben an der überragenden Macht der Worte. Denn fast alles wird ja durch Worte veranlaßt, verboten oder zugelassen, mit Worten erklärt, verklärt oder verfälscht. Wir sollten also skeptisch sein und nicht vergessen, daß es auch noch eine gewichtige anderer Art der Erfahrung gibt. Was wir nicht-verbal – sehend, fühlend, hörend oder wie auch immer – erleben, verschafft uns doch eine Gewißheit oder ein Wissen, das zu richtigeren Handlungen und Entscheidungen führen kann, als es je eine Theorie kann.

Eine Theorie kann sich doch auch empirisch entwickeln..

Ja, sicher entwickelt sie sich aus der Erfahrung und wird von ihr korrigiert, bestätigt oder verworfen. Das Problem ist aber, daß eine Theorie in sich so logisch und sehr kompliziert und differenziert sein kann – fast so komplex wie das Leben -, daß man auf sie hereinfallen muß, weil sie so überzeugend ist oder so schön.

Es gibt einen Film über Ihre Arbeit, der heißt: „Meine Bilder sind klüger als ich“. Wieso?

Sie sollten unbedingt klüger sein als ich. Ich muß nicht mehr ganz mitkommen, sie müssen etwas sein, was ich nicht mehr so ganz verstehe. Solange ich sie theoretisch begreife, ist es ja langweilig.

Sie sind schon sehr früh als „inkonsequent“ bezeichnet worden, weil Sie sowohl im Hinblick auf den Gegenstand als auch vor allem auf ‚Stil’ immer wieder die Ebenen gewechselt haben. Sie selber haben sich als „unsicher“ bezeichnet. Oder geht es auch darum, sich selbst und anderen zu beweisen, daß Sie alles können?

Nein, das ist nicht so. Nach einem Photo abzumalen, kann man lernen. Und so vieles, was an künstlerischen Äußerungen denkbar ist, habe ich nicht gemacht – ich bin sogar relativ beschränkt und auch ein bißchen einseitig: immer nur Ölmalerei.
Inkonsequenz ist ja nur eine Folge von Unsicherheit, unter der ich zwar leiden kann, aber die ich auch als unvermeidlich und als notwendig ansehe.

Also ist vielleicht die Unsicherheit das Generalthema?

Mag sein. Auf jeden Fall gehört sie zu mir, als Voraussetzung. Wir haben ja auch objektiv keinen Grund, uns hier sicher zu fühlen. Sicher sind doch nur die Dummen, oder die, die lügen.

Und die Bilder lügen nicht?

Nein, sie behaupten ja nichts – sie machen keine Aussage, sie können uns nichts weis machen. Die sind sowenig verlogen wie eine Baum, aber oft uninteressanter.

Stilwechsel, Stilbruch, Zitate und – vielleicht auch – Ironie, dies alles sind Phänomene, die man, seit dieser Begriff existiert, ‚postmodern’ nennt. Setzen Sie sich damit auseinander? Halten Sie sich für einen postmodernen Wegbereiter?

Das glaube ich nicht, es hat mich nicht so interessiert. Aber in einer gewissen Weise könnte man mich schon so nennen; denn ich hatte nie das Bewußtsein, zur Avantgarde zu gehören, und das war mir auch nie ein Anliegen. Avantgarde, das war mit meist zu dogmatisch und zu aggressiv.

Sie haben 1976 angefangen, abstrakte Bilder zu malen, um etwas zu machen, dessen Erscheinung Sie sich vorher nicht vorstellen können. Sie haben damit also eine für Sie ganz neue Methode entwickelt. War das so etwas wie eine Experiment?

Ja. Das fing 1976 an mit kleinen abstrakten Bildern, die mir erlaubten, all das zu machen, was ich mir vorher verboten hatte: einfach willkürlich etwas hinzusetzen, um dann zu merken, daß es nie willkürlich sein kann. Dies geschah, um mir eine Tür zu öffnen. Wenn ich nicht weiß, was da entsteht, also kein festes Bild habe wie bei einem Photo, das ich abmale, dann spielen Willkür und Zufall eine wichtige Rolle.

Wie gelingt es Ihnen, den Zufall so zu lenken, daß ein ganz bestimmtes Bild mit einer ganz bestimmte Aussage entsteht, denn das ist doch Ihr erklärtes Anliegen?

Ich habe eben nicht ein ganz bestimmtes Bild vor Augen, sondern möchte am Ende ein Bild erhalten, das ich gar nicht geplant hatte. Also, diese Arbeitsmethode mit Willkür, Zufall, Einfall und Zerstörung läßt zwar einen bestimmten Bildtypus entstehen, aber nie ein vorherbestimmtes Bild. Das jeweilige Bild soll sich also aus einer malerischen oder visuellen Logik entwickeln, sich wie zwangsläufig ergeben. Und indem ich dieses Bildergebnis nicht plane, hoffe ich, eher eine Stimmigkeit und Objektivität verwirklichen zu können, die eben ein beliebiges Stück Natur (oder ein Readymade) immer hat. Sicherlich ist das auch eine Methode, um die unbewußten Leistungen einzusetzen, soweit wie möglich. – Ich möchte ja gern etwas Interessanteres erhalten als das, was ich mir ausdenken kann.

Jürgen Harten hat geschrieben, Ihre Bilder seien das „Malen der Malerei“, quasi also ein gemalter Kommentar zur Malerei.

Nein, das stimmt so nicht. Wenn ich Bach höre, dann kann ich auch sagen. Das ist Musik über Musik, weil sie auf einer Tradition fußt, in sich so stimmig ist und jeder Ton sich nur auf den anderen bezieht. Das hieße ja am Ende, daß sie überhaupt nichts will und nichts sagt. Schachspiel. Für wen sollte das gut sein?

Für viele Künstler steht die malerische Aktion, der Prozeß, im Vordergrund ihrer Arbeit...

Es geht doch immer nur ums Sehen. Die physische Aktion läßt sich nicht vermeiden, und bestimmt gibt es auch manchmal eine Notwendigkeit, mit dem ganzen Körper zu malen – aber im Dienst der Sache. Aber diese ‚Aktionisten’ – man sieht ja, was dabei herauskommt-

In einem vor zwanzig Jahren erschienenen Katalog des Aachener Kunstvereins hat Klaus Honnef  geschrieben, daß ihnen „bonne peinture“ am Herzen liegt. Welchen Stellenwert hat denn die Malerei in Ihren Bildern?

Ganz früher, an der Akademie, hätte ich gerne so gut gemalt wie die Maler, die ich damals schätzte: Manet, Cézanne oder Velasquez. Ich konnte es aber gar nicht. Und später merkte ich, daß es gut ist, daß ich das nicht kann, weil es eben um was anderes geht. – Darauf bezog sich sicher das mit der „bonne peinture“. Ich weiß gar nicht mehr, was das ist, sicher so was Ähnliches wie reine Malerei.

Eine Malerei also, die nur von sich selbst und ihren eigenen Bedingungen handelt, um die geht es Ihnen also nicht?

Als Basis steht doch erstmal ein Anliegen: sich ein Bild machen von der Welt. Und für dieses Bild ist Malerei immer nur ein Mittel (deshalb kann man ja auch nie von einem schlechten Bild sagen, daß es gut gemalt sein). Trotzdem ist die Malerei, sind die bildnerischen Mittel von elementarer Wichtigkeit. Das sieht man ja an manchen gutgemeinten Bildern mit hohen inhaltlichen Ansprüchen, die aber gänzlich ungenießbar bleiben. Diese Genießbarkeit hat nichts mit Luxus zu tun. Sie ist etwas ganz Essentielles.

Hat Genießbarkeit ganz konkret etwas mit Farben, mit Pinselführung, eben mit Technik zu tun?

Mehr mit Sehen, glaube ich. Das andere geht ja eh von der Hand, das ist keine Problem, malen kann man alles. Sehen, ob das, was man treibt, gut ist oder nicht, ist schwieriger. Aber es ist das einzig Wichtige. Das hat Duchamp auch vorgeführt, daß es nicht um die Handarbeit geht. Es geht nicht darum, daß man etwas kann, sondern darum, daß man sieht, was es ist. Das Sehen ist ja auch der entscheidende Akt, er letztlich den Produzenten und den Betrachter gleichstellt.

Vielen Ihrer Bilder wird eine anderes Medium – die Photographie – zwischengeschaltet...

... es ist aber kein anderes, sondern ein wesentlich gleiches. Natürlich war für mich ganz früher ein Bild nur dann ein Bild, wenn es gemalt war. Später war ich sehr überrascht, daß ich das Photo als Bild sehen konnte – und in meiner Begeisterung oft als das bessere Bild. Es funktioniert ja auch auf die gleiche Weise: Es zeigt den Anschein von etwas, was es selbst nicht ist – und das auch noch viel schneller und genauer. Das hat ganz sicher meine Sehweise beeinflußt und auch meine Auffassung über Herstellung: daß es zum Beispiel ganz unerheblich ist, wer das Photo gemacht hat.

Besonders in den schwarz-weißen Photovermalungen wird aber besonders betont, daß es sich um Photos handelt, daß es eindeutig Bilder nach Photographien sind.

Diese Photoähnlichkeit wollte ich ja in die Bilder bringen. Schon wegen der Glaubwürdigkeit, die besonders Schwarz-weiß-Photos vermitteln. Sie haben was Dokumentarisches, man glaubt ihnen mehr als allen anderen Abbildungen.

Ist das nicht falscher Glaube?

Das kann natürlich sein. Die eigentlich richtige Wirklichkeit ist doch immer die, die wir sehen und direkt erfahren.

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